Silberdistel (Carlina acaulis)

Als Rat an einen geilen Mann: Damit Frauen ihm nichts abschlagen können, solle er neben Baldrian auch Eberwurz (Silberdistelwurzel) im (am) Hodensack (wohl eher in der Hose) tragen. So empfiehlt es ein alter Aberglaube.

Kaiser Karl der Große (sieben Karls gab es, es soll wohl der Fünfte gewesen sein) muss wohl für den Namen Karlsdistel einstehen. Auf einem seiner Kriegszüge sei das Heer von der Pest heimgesucht worden - ein äußerst lästiger Umstand bei diesem Vorhaben. Der Kaiser hatte unruhige Nächte, da erschien ihm im Traum ein Engel, der den Monarchen anwies, einen Pfeil in die Luft zu schiessen. Dort, wo der Pfeil niederging, stünde das Kraut gegen die furchtbare Seuche. Karl tat wie ihm gesagt. Der Pfeil durchbohrte die Wurzel der Silberdistel. Gleich wurde sie den Mannen verabreicht und alsbald leerten sich die Krankenlager und der Feldzug nahm seinen erfolgreichen Verlauf (nur die besiegten Sachsen sahen das ein wenig anders). 

„Wer diese Wurzel geniessen will, der muss allein mit großer Arbeit hinter ihre Kraft kommen - denn ohne große Mühe tut sie nichts.“ , heisst es. Welch saturnische Aussage. 

Paracelsus berichtet, dass ein Mann, der Eberwurz bei sich trug, ein drei Zentner schweres Weinfass aufgebunden habe. Zwölf Männer haben ihn begleitet, und mit der Hilfe der Eberwurz habe er die Kraft diesen Männern entzogen und auf sich selbst gelenkt. Alle zwölf Männer seien schwach und krank geworden und mussten aufgeben. Im Salzburgischen werden die Pflanzen am Sonnenwendabend ausgehoben und zwischen die Rundhölzer der Hauswände gesteckt. Moospolster und etwas Erde müssen das nicht sehr anspruchsvolle Gewächs versorgen. Bis zur nächsten Sonnenwende zeigte die verdorrte Silberdistel an, wieviele Todesfälle das Leben dem Haus brachten. Unzweifelhafte Sehergaben hat die Art dagegen als Wetterprophet. Wenn die Luftfeuchte ein bestimmtes Maß überschreitet, schliesst sich die Blüte. Daher ist auch der Name Wetterdistel besonders bei Wanderern geläufig. Der Silberglanz jedoch wird nicht von den Blütenkronen selbst, sondern vielmehr den inneren Blütenhüllblättern verbreitet. 

Der Name Carlina entstammt wahrscheinlich einer oberitalienischen Dialektform, nämlich cardelina, was so viel bedeutet wie distelförmige Sippe. Dies wird auch über den Namen des Distelfinks, von carduus abgeleitet wird. Die Bezeichnung acaulis stammt vom Griechischen äkaulos“ ab, welches als kurzhälsig oder auch stengellos betrachtet werden kann.

Eberwurz half bei Viehseuchen und Fressunlust; kann auch heute noch als Apettitmacher angesehen werden. Der Zauber von behexten Kühen ließ sich durch sie lösen, Hühner wurden mit ihr entzaubert und man nagelte sie an die Stalldecke, um Hexen fern zu halten.

Die Silberdistel wächst an mageren Hängen, auf Magerwiesen sowie lichten Wald- und Buschbeständen. Häufig kommt sie an den Muschelkalkhängen um Jena, aber auch in der Rhön (auch Rhöndistel) vor. Heute ist sie durch Überdüngung und dem immer weniger werden von Magerwiesen recht rar geworden und steht unter Naturschutz. Sie war bei Frauen ein beliebtes Mitbringsel von Wanderungen, wovon heute abzuraten ist. Auch meine Oma konnte dem verlockenden Antlitz der Silberdistel nicht widerstehen. Früher hatte die Silberdistel auch als wilde Artischocke Verwendung in der Küche gefunden und sie galt als Delikatesse. Hiervon ist mittlerweile abzuraten, da die Bestände deutlich zurückgegangen sind. 

Magerwiesen bilden einen wichtigen Bestandteil in Flora und Fauna. Wir erfreuen uns im Frühling an gelb blühenden Wiesen, kennen den Anblick einer bunt blühenden und von Insektenvielfalt nur so durchtränkten Magerwiese kaum. Letztere werden durch Überdungung und extensive Bewirtschaftung immer weiter zurückgedrängt, sie werden in gelbe und fette Flächen verwandelt und von stickstoffliebenden Pflanzen besiedelt. Insekten und Falter, von denen viele einen Aktionsradius von weniger als 30 Meter haben und davon abhängig sind, dass in diesem Bereich alle Überlebensfaktoren vorhanden sind, werden zurück gedrängt, sterben aus. Von etwa 50 heimischen Falterarten, die in den zwanziger Jahren allgegenwärtig waren, begegnen uns heute gerade noch vier oder fünf. Auch die ehemalige Vielzahl an Wildbienen hat sich stark reduziert. Jeder dritte Bissen, den wir nehmen, ist von der Bestäubungsleistung der Bienen abhängig. Es liegt auch an uns, wie wir unsere Gärten gestalten.

© Kay Weber