Lärche (Larix decidua)

Sie ist ein Kind der Sonne, was man am hohen Lichtbedarf und dem Wechsel der Farben des Nadelkleides durchaus erkennen kann. Die Besonderheit, dass sie als einer der wenigen einheimischem Nadelbäume ihre Nadeln im Herbst verliert, wurde im lateinischen Namen decidua – abfallend – festgehalten. 

Nebel, Luftfeuchtigkeit und Nässe scheut sie, kommt sie doch mit 450 mm Jahresniederschlag sehr gut aus. Eine kurze, zwei- bis dreimonatige Vegetationsperiode im Sommer im Hochgebirge genügt ihr zum Gedeihen. Dies erscheint auch als eindeutiges Sonnenindiz. Sonnenpflanzen erkennen wir an ihrem stolzen und aufrechten Wuchs sowie an majestätischer Größe, angenehmen und intensivem Duft. 

Ursprünglich kommt die Lärche in den Alpen und im östlichen Mittelgebirgsraum Europas vor, der Mensch hat aber ihr Vegetationsgebiet erweitert. Lärchen werden bis 54 Meter hoch, also deutlich strebsam der Sonne entgegen. Sie erreichen ein Alter von bis zu 600 Jahren. Die prächtigen Urlärchen befinden sich u.a. im Ultental bei Meran in Südtirol.

Lärchen liefern das härteste und dauerhafteste Holz überhaupt, was schon die Römer zu schätzen wussten. Plinius behauptete, dass die Lärche durch Feuer keinen Schaden nähme, weder verbrennen noch verkohlen würde. Die Wasserbeständigkeit des Holzes hingegen ist unumstritten. Für Wasserleitungen, Butterfässer, Melkeimer, Telegraphenmasten, Holzschindeln und im Schiffsbau findet das Holz der Lärche Verwendung. 

Harze von Nadelbäumen werden schon lange für Räucher- und Reinigungsrituale verwendet. Sie dienen aber auch als wertvolle Heilmittel. Das Holz der Lärche ist das harzreichste unter unseren Nadelbäumen. Ihr Harz wird auch Lörtsch genannt. Auch kannte man es unter der Bezeichnung Venetianische, weil die Venediger am stärksten damit handelten. Dieses klare gelbbräunliche und honigdicke Harz mit erlesenem Geruch wurde bei Krankheiten der Lunge und der Haut in der Form angewendet, dass man kleine Harzkügelchen zerkaute. Heutige Lärchenharzsalben leisten auch bei Rheuma und Hexenschuss gute Dienste. Hierfür wird ein haselnussgroßes Stück Lärchenharz geschmolzen, mit zehn Esslöffeln Öl und 8g Bienenwachs verrührt und abgefüllt.

Lärchennadeln sind, im Gegensatz zu Fichten- und Tannennadeln, leicht giftig. Ein Absud aus  den Nadeln wurde auch als Abortivum eingesetzt. 

In den Alpen war die Lärche ein häufiger Haus- und Hofbaum. Besonders in Tirol war sie eng mit dem bäuerlichen Lebenskreis verknüpft. Die Lärche galt als Wohnsitz der guten Waldfrauen, unter deren Schutz besonders Mütter und Kinder standen. Die mit der Lärche verbundenen Baumfeen waren den Menschen immer wohlgesonnen, beschenkten sie reichlich und standen ihnen bei schweren Geburten zur Seite. 

Im Frühling und Sommer hebt sich das satte, fast lindgrün anmutende Blätterkleid der Lärche von seiner Umgebung deutlich ab. Im Herbst kann man das goldgelbe Leuchten der Lärche klar von allen anderen Nadelbäumen unterscheiden und den Baum so schon aus der Ferne gut bestimmen. Auch die Zapfen der Lärche, die mal völlig vereinsamt, oft aber eng aneinander geschmiegt paarweise oder zu dritt auf den dünnen Zweigen verweilen, sind ein gutes Bestimmungsmerkmal.

Jedes Mal, wenn mir die tief herab hängenden Zweige mit ihren kleinen Zapfen an den Kopf stoßen, halte ich inne und betrachte die Harmonie, die Nähe und die Vertrautheit, mit der die Zapfen dicht an dicht nebeneinander verweilen. Was auch immer man daraus lesen oder erkennen möge – für mich steht die Lärche für Geduld, Zuversicht, Gleichgewicht und offenkundige Gefühlsäußerung. 

© Kay Weber