Riesen-Schwingel (Festuca gigantea)

Was lässt sich nicht alles zu Gräsern sagen und erzählen? Ich erinnere mich an einen meiner Vorträge zu diesen Geschöpfen. Hierin ging es darum, welchen Wert Gräser - hier vornehmlich Süßgräser und damit unsere auch Getreidearten - für die menschliche Ernährung haben. Und auch daran, dass unser Planet einst gänzlich graslos gewesen sein soll. 

Gräser entstanden, so die Theorie, im Känozoikum, der Erdneuzeit. Sie beschränkten sich zunächst auf bewaldete und sumpfige Gebiete. Im Einklang mit der Entwicklung der Windbestäubung und des Wachstumsprozesses eroberten die Gräser ab dem Oligozän das offene Land; Steppen, Grasland und Tundren breiteten sich im Miozän aus. Es wird vermutet, dass die Evolution der Süßgräser mit jener der großen Weidetiere parallel einher ging.

Die Farbe „Grün“ ist leicht auf den altgriechischen Begriff „grástis“ rückführbar, was „Futterkraut“ bedeutet. Die lateinische Bezeichnung lautet „gramen“. Das deutsche Wort Gras geht wohl auf die indogermanische Silbe „ghr“ zurück und bedeutet soviel wie „wachsen“. Dies findet sich auch im englischen „to grow“ wieder.

Als Gräser werden sowohl Süßgräser, Sauergräser wie auch Binsengewächse zusammengefasst, weil sie allesamt keine auffälligen, bunten, sondern stark reduzierte Blüten haben, die meistens in Blütenständen beisammen stehen.

Sauergräser werden oft einfach als Gräser genannt, ihre Halme aber sind nicht durch Knoten gegliedert. Als Sauergräser bezeichnet man Riedgräser und Binsengewächse.

Süßgräser (Gramineae oder Poaceae), mit 10.000 Arten und 650 Gattungen, sind die größte Gattung innerhalb der Blütenpflanzen und zeichnen sich durch runde, hohle Stengel und durch zweizeilig angeordnete Blätter mit langer, den Stengel umfassender Scheide aus. Ihre unscheinbaren, meist zwittrigen Blüten haben keine Blütenhülle, aber dafür trockenhäutige Hochblätter. Sie stehen immer in Ährchen beisammen, die ähren-, trauben- oder rispenförmige Gesamtblütenstände bilden.

Süßgräser zählen zu den ältesten Nutzpflanzen überhaupt und sind mit der Entwicklungs-geschichte des Menschen eng verflochten. Alle Getreidearten gehören in diese Pflanzengruppe. Sie sind weltweit verbreitet, kommen an Meeresküsten, im Hochgebirge und den Polarkreisen vor. Alle terrestrischen Standorte sind von Gräsern besiedelt. Ein Fünftel der Pflanzendecke der Erde wird von Gräsern eingenommen. Ihr Erscheinungsbild ist entsprechend ihres Vorkommens in allen Klimazonen ausgesprochen facettenreich, ebenso ihre Wuchsformen, Blütenstände und Wurzeln.

Die Samenkörner sind eine Sonderform der Nussfrucht. Aufgrund ihres Aufbaus sind sie vielmehr Früchte.

Grundsätzlich bringen alle Gräser Mitteleuropas essbare Samen hervor. Die Samen lassen sich, meist im Spätsommer, geröstet und gemahlen zu Kaffee verarbeiten oder in einem Keimgefäß zum Keimen (Sprößlinge) bringen, die etwas größeren Samen zur Bierherstellung.

 

Getreidegötter und Wächter schenkten den Menschen das für ihre Ernährung so wichtige Getreide und behüteten es. Sie erschufen Getreidearten, verteidigten sie gegen teuflische Geister und vernichteten Insekten und andere Schädlinge. Die Göttin Demeter schenkte der Menschheit  die ersten Samen des Weizens und lehrte Triptulemus, die Erde zu bearbeiten und Brot zu bereiten. Er missionierte und verbreitete die Kunst des Weizenanbaus in allen Ländern rund um das Mittelmeer. Er wurde von dem Gott Adonis unterstützt; von Ceres, die den grünen Weizen goldfarben machte; und von Flora, die das Getreide vor Krankheiten schützt.

In Nordamerika gab der Herr der Winde seinem Sohn Iosheka ein Maiskorn und er brachte den Indianerstämmen der Huronen und der Irokesen den Maisanbau bei.

In Asien war es der Inari, der japanische Reisgott, der noch heute den Reisanbau bewacht und vermehrt. Zwei Füchse begleiten ihn dabei. Sie bringen seine Anweisungen zu den Bauern. Wenn ein Reisbauer einen Fuchs durch sein Reisfeld schnüren sieht, sollte er ihn nie davonjagen. Die Bauern Südostasiens halten den Reis für die Ausstrahlung Buddhas.

In Europa gibt es eine große Anzahl an Wesen, die für die Getreidefelder sorgen. In Nordeuropa sind es unsichtbare Meuten von Weizen- und Roggenhunden, die leichtfüßig auf den aufrecht stehenden Halmen gehen können. Die Wellen im Feld, von denen man glaubt, dass sie vom Wind getrieben werden, sind in Wirklichkeit von den Bewegungen der Wachhunde verursacht.

In Russland achten die Poleviki und Poludnitsy auf die Getreidefelder. Die Poleviki sehen menschlich aus und ihre Haare und Bärte sind so grün wie der junge Weizen. Die Poludnitsy sind hübsche junge Mädchen mit Haaren so gold wie Weizenstroh. Beide Feldgeister bestrafen Eindringlinge, aber auch faule Bauern, die sich nicht hinreichend um ihre Felder kümmern.

 

Die Geschichten und Mythen um Getreidegötter und -geister sind unglaublich zahlreich und faszinierend. 

Besonders interessant ist die Geschichte, wie der Mais zu den Menschen gelangte, was sich in Südamerika zugetragen haben soll. Hier ist es der Mais (Zea mais), der als Zivilisationsstifter betrachtet wird. „Unser Leben“, „Lebensspender“ oder „Der, der uns erhält“ sind Namen, mit denen indianische Sprachen die Pflanze benennen. „Tonácatl“ nannten ihn die Azteken, was so viel wie „Unser Fleisch“ bedeutet. „Der erste Vater“ war er bei den Maya, „Mondamin“, „Das Wunderkorn“, bei den Ojibwa.

Man vermutet die ersten wild wachsenden Maispflanzen vor ca. 10.000 Jahren in Mexiko. Der Mais sei als Göttin zur Erde herabgestiegen oder, so erzählen es die Ojibwa, als grün gekleideter Fremder mit gelben Haaren. Ein junger Mann, der auf Visionsuche war, rang ihn nieder, und nachdem er ihn getötet und begraben hatte, ist das Zauberwesen als Pflanze wieder auferstanden. 

Den Maya zufolge entstanden die ersten Menschen aus Maisbrei. Die Urahnen erschufen die  „Leuchtenden Söhne des Lichts“. Sie zerrieben die Maiskolben und der Mais ging über in ihr Fleisch, ihr Blut und die Kreatur wurde Mensch.

Nach einer Nahua-Überlieferung pilgerte einst die Ameise Azactl zum mystischen Berg der Nahrung, traf dort die gefiederte Schlange Quetzalcoatl und brachte mit ihr zusammen den Mais zurück. Sie gaben den Göttern davon zu essen und sie wurden stark.

Bei den Arikara lebte die Maismutter beim großen Geist im Himmel; diese stieg herab und führte die Menschen, die noch unter der Erdoberfläche hausten, in das Licht der Welt. Sie gab ihnen Maiskörner zum Anpflanzen, lehrte ihnen Stammesriten und Rituale, damit sie in Harmonie leben können und kehrte in den Himmel zurück.

Die Cherokee erzählen, dass die Maisgöttin am Beginn der Zeit mit ihren Kindern, den ersten Menschen im Wald lebte. Jeden Tag holte sie einen Korb voll Maiskörner aus einer abgelegenen Hütte. Neugierige Kinder schlichen ihr nach und sahen voller Ekel, wie sich die Mutter den Schmutz von ihrem Bauch und ihrer Scham rieb und diesen in Maiskolben verwandelte. In dem Glauben, sie sei ein böse Hexe, töteten die Kinder die Frau und verscharrten sie. Bald wuchs aus ihrem Grab eine Maispflanze empor. Nun konnten die Menschen wieder Maisbrei essen, mussten dafür aber schwere Arbeit leisten. 

 

Nüsse, Früchte, Samen und harte pflanzliche Kost hätten die Kost des Urmenschen sein sollen; 

und dies brachte ihn den Namen „Paranthropus boisei – Nussknackermensch“ ein. Doch 

ähnelten seine Essgewohnheiten eher denen einer Kuh.

Anhand der Schädelmerkmale dieses Vormenschen mit seinem kräftigen Kiefern, übergroßen 

Backenzähnen und stark ausgebildeter Kaumuskulatur, ernährte sich der Nussknacker-Mensch 

offenbar überwiegend von tropischen Gräsern. Zu diesem Schluss kamen amerikanische 

Forscher, die fossile Zähne des Nussknacker-Menschen untersuchten, der vor mehr als einer 

Million Jahre in Ostafrika lebte. 

Eine chemische Analyse des Zahnschmelzes von 24 fossilen Backenzähnen lieferte die neue 

Erkenntnis. Die 22 Vormenschen, von denen die Proben stammten, lebten vor 1,9 bis 1,4 Millionen 

Jahren in Nord- und Zentralkenia. Im Untersuchungsmaterial ließen sich noch Kohlenstoffatome 

der pflanzlichen Nahrung nachweisen. Das Verhältnis der Kohlenstoffisotope im Pflanzengewebe 

liefert einen zuverlässigen Hinweis auf die Art der verzehrten Pflanzen. So konnten die Forscher 

feststellen, dass es sich bei der Nahrung des Nussknacker-Menschen nicht um Bäume, Sträucher 

oder krautige Pflanzen handelte, sondern um Süß- und Riedgräser.

Die mit den Zahnschmelzproben gemessenen Werte zeigten, dass der Großteil der Nahrung von 

grasartigen Pflanzen stammte. Paranthropus boisei konkurrierte also bei der Nahrungssuche nicht 

mit anderen Primaten, die Früchte und Baumblätter fraßen, sondern mit den Vorfahren von Zebra, 

Schwein und Nilpferd. Die mächtigen Kiefer dienten demnach dazu, große Mengen an Gras zu 

zermalmen. Keiner der Forscher hätte erwartet, an einem entfernten Zweig unseres 

Familienstammbaums auf einen Primaten mit den Eigenschaften einer Kuh zu stoßen.

Auch Zähne von Australopithecus-Funden sollen nun untersucht werden. Die Gattung 

Australopithecus hat sich im Lauf der Evolution in zwei Linien aufgespalten, wovon die eine zur 

Gattung Paranthropus, die andere zur Gattung Homo führte. Das Wissen darüber, was 

ausgestorbene Hominiden gegessen haben, lasse Rückschlüsse auf die Vegetation und damit die 

Verbreitung des Vormenschen zu.

 

Vor 10 Millionen Jahren wandelte sich das Klima in Ostafrika und die feuchten Regenwaldgebiete gingen in trockene Savannenbiotope über. Diese klimatische Veränderung hat dazu geführt, dass sich die ursprünglichen Hominidenpopulationen in die zu den heutigen Menschenaffen und dem Menschen führenden Linien aufspalteten.

Der aufrechte Gang beginnt bei dem Wechsel vom tropischen Regenwald zum Savannenbiotop. Die Zweibeinigkeit gehörte in der Evolution der menschlichen Ernährung zu den ersten Strategien, um auf die veränderten Umweltbedingungen zu reagieren. Durch die zunehmende Trockenheit in Afrika vor ca. 2,8 bis 2,5 Millionen Jahren dehnte sich der Anteil an hartfaserigen und hartschaligen Pflanzen weiter aus, die verbleibenden Flussuferwälder wurden schmaler. Dieser neuerliche evolutionäre Druck muss groß genug gewesen sein, um die Spaltung in die Gattungen Paranthropus und Homo hervorzurufen.

Der robuste Paranthropus mit seinen megadonten Zähnen suchte Schutz vor Großkatzen in den Flussuferwäldern. Man vermutet, dass die Fähigkeit zur zweibeinigen Fortbewegung sich bereits in den Wäldern entwickelte, deren Schutz sie erst allmählich verliessen, um in die offenen Landschaften vorzudringen. In den Savannenbiotopen selbst wäre ein sich Aufrichten lebensnotwendig, um die Umgebung über die hochwachsenden Gräser hinaus nach Gefahr überblicken zu können. Insofern verdanken wir dem Gras vielleicht sogar unseren aufrechten Gang (und vielleicht gehen wir heute eher etwas katzbuckelig durch die Gegend, weil immer Alles schön stramm und kurz gemäht wird)

Letztlich jedoch starb die Art des Paranthropus boisei aus. Die Alternative muss der Beginn der Werkzeugkultur gewesen sein, deren Anfänge ebenfalls 2,5 Millionen Jahre zurückreichen. Durch die Benutzung von Steinwerkzeugen zum Hämmern harter Nahrung entstanden zufällig scharfkantige Abschläge, die als Schneidwerkzeug eingesetzt wurden; eine Revolution in der Fleischbearbeitung und dem Zerlegen von Kadavern. 

Die Nahrungsnische des frühen Menschen wird in den Uferwaldzonen gesehen, wo Reste von Großkatzenbeute und Kadavern ausreichende Ressourcen bieten. Im saisonalen Rhythmus der Savanne boten in der Trockenperiode die Beutereste von Großkatzen reichlich Nahrung, während das Angebot an gehaltvoller pflanzlicher Nahrung aus Ermangelung an Niederschlag drastisch sank. In Regenzeiten dürfte die Ernährung auf pflanzlicher Basis im Schutz der Uferwälder überwogen haben. 

So legten im Gegensatz zu den robusten Vormenschen unsere Vorfahren eine große Flexibilität des Ernährungsverhaltens an den Tag – eine Entwicklung, die in Verbindung mit der gehaltvollen Fleischnahrung auch zu einem größeren und leistungsfähigerem Gehirn führte.

Letztendlich zeigt sich, dass Gräser für den Urmenschen als Nahrungsquelle zwar dienlich waren, jedoch keine dauerhafte Ernährungsmöglichkeit boten. 

Eines jedoch bleibt wahrscheinlich zu vermuten; das wir unseren aufrechten Gang den Gräsern zu verdanken haben und nicht, wie zunächst angenommen, in Griffnähe wachsende Früchte an Bäumen. 

 

Nun aber, und nach so vielen Vermutungen, zum Riesen-Schwingel. Er begegnet uns in feuchten Wäldern, gern in Eichen-, Buchen- und Laubmischwäldern und in deren Nähe, auf Waldwegen und Lichtungen. Gut gedeiht er auf feuchten bis nassen, nährstoff- und basenreichen Tonböden. Vor allem wächst er längs der Wasserläufe in Auwäldern. Und dort begegnete er mir. Am Flusslauf der Ilm, unterhalb der Felsenburg bei Buchfart. Nur wenige Schritte musste ich, durch die Haustüre hinaus, zurücklegen, um die feuchten Wiesen an der Ilm zu erreichen, wo ich jeden Frühling Brennnesseln, Giersch und Sauerampfer sammelte, im Herbst nach Löwenzahn- und Beinwellwurzeln grub. Nur selten standen dort die Pferde von Frank, meinem Nachbarn. Meist wurde die Wiese nur ein Mal und spät im Jahr gemäht, was dem Gedeihen des Riesen-Schwingels deutlich zuträglich war. Er brachte mich - so wie das Einjährige Rispengras - auf die Idee, so viele Gräser wie möglich zu illustrieren. Also wagte ich mich an ihn heran. Aufgrund seiner Größe war es nicht möglich, ihn in seiner ganzen Pracht und Größe zu zeichnen. Ich begann mit einem Teil der Stengel, Blätter und Blüten, bevor ich mich an sein Wurzelgeflecht machte. Dieses grub ich später aus, hielt es einige Zeit frisch und fuhr mit ihm im Wohnmobil-Gepäck an den Carwitzer See, wo ich auf einem kleinen und stillen Campingplatz das Werk vollendete. 

Auch hier kann ich mich wieder an viele kleine Begebenheiten sehr genau erinnern, die mir sonst als nicht sonderlich wichtig erscheinen. Es ist, als verstärkte sich beim Zeichnen meine Wahrnehmung für sonst belanglose Nebenbei-Ereignisse, denen ich nicht mal bewusst Aufmerksamkeit widme. Voll der Konzentration beim Zeichnen saugt mein Erinnerungsvermögen alles Geschehen um mich herum auf, ohne das ich dem folge oder besonders gewahr bin. Vielleicht wirkt die Versunkenheit bei dieser Arbeit auf eine besondere Weise psychedelisch, also den Geist erweiternd. Oder sind es die Pflanzenwesen, denen man sich bei dieser Beschäftigung durchaus ja hingebungs- und liebevoll zuwendet, in deren Metaebene man somit eintaucht und eine Verbindung mit der Umgebung eingeht, die weit über unser Alltagsdenken hinausgeht? Mag sein; auf jeden Fall erreiche ich diesen Zustand der totalen Erinnerung beim Zeichnen vollkommen unwillentlich, aber auch besser und leichter als dies bei Meditationen und Hypnosen der Fall ist. Das Loslassen geschieht einfach auf eine eigene Weise und völlig unwillentliche Weise.  

 

Majestätisch, kraftvoll-aufrecht und doch von geschmeidiger Biegsamkeit begegnet mir der Riesen-Schwingel in einer Art anmutigen Geradlinigkeit, die einerseits von einer deutlichen Dominanz gegenüber anderen Wiesengewächsen zeugt, andererseits jedoch mit diesen in einer einvernehmlichen Harmonie seinen Lebensraum teilt. Auf jeden Fall tritt er gern hervor und zeigt sich ungeniert, weiß aber, sich phytosozial nicht als Platzhirsch zu etablieren. Er ist da, zeigt sich stolz, verdrängt und unterdrückt jedoch nicht. 

Mit Insekten hat er nicht viel am Hut und verlässt sich vielmehr auf die altmodische Windbestäubung. Für die Verbreitung seiner Samen verlässt er sich ebenfalls auf den Wind, aber auch das Wasser, dessen Nähe er ohnehin gerne sucht. Durch die Wiesen streifende Tiere verschleppen seine Samen in ihrem Fell ganz sicher auch.   

Einige Schmetterlinge nutzen ihn gern als Raupenfutter, ganz besonders die Haldenflur-Graseule (Apamea remissa), das Waldbrettspiel (Pararge aegeria) und der Frühe Kommafalter (Ochlodes venata). Von Weidetieren wie Pferden und Rindern wird der Riesen-Schwingel in der Blütezeit gern genommen, später aber scheint er ihnen nicht mehr zu schmecken.  

Welchen Wert er als Nahrungspflanze für uns Menschen hat, vermag ich nicht zu sagen. Noch habe ich ihn nicht probiert. Bis zur Blüte fühlt er sich weich, saftig, geschmeidig und zart an, was als Mondsignatur ausgelegt werden könnte. Später, nach der Blüte, wirkt er zunehmend weniger erfrischend, leicht silbriggrau und etwas steifer oder auch spröder, was auf mich ein wenig saturnisch wirkt. Ich möchte wetten, dass er dann auch etwas bitterer schmeckt, weniger süßlich und die Festigkeit seiner Fasern zunimmt. Das werde ich auf jeden Fall herausfinden. 

Die planetarischen Signaturen bei Gräsern zu bestimmen und festlegen zu können, dürfte einfach erscheinen, haben sie alle recht identische Grün- und Wachstumsphasen sowie Erscheinungsbilder. Doch bei genauerem Hinsehen und Anfühlen stellt man Unterschiede fest, die eine etwas sensiblere Bestimmungstaxonomie erfordern. Seine Vorliebe, an feuchten Standorten und in Wassernähe zu gedeihen, lässt zunächst den Mond vermuten. Auch die glatten und geschmeidigen Blätter und Halme stehen für die lunare Signatur. Der Mond steht für Energieaufnahme, Periodizität, Reflektion, Empfindung und Hingabe, also vornehmlich weibliche Charaktereigenschaften. Die weißlichen und nicht all zu opulenten Blüten des Riesen-Schwingels sprechen ebenso für diese Zuordnung. Viele Mondpflanzen bevorzugen feuchte Standorte. Darunter findet sich das Mädesüß, der weißblühende Fieberklee, die Birke oder auch die saftige und kühlende Vogelmiere. Die Wirkung dieser Pflanzen erstreckt sich von Rheuma über Entzündungen bis hin zu fieberhaften Infekten. Zarte weiße Blüten, oft silbrig schimmernde Blätter oder eine schleimige und saftige Beschaffenheit lassen die lunaren Eigenschaften erkennen. Als Spiegel der Sonne entspricht dem Mond auch das Unbewusste und die Fähigkeit zur Reflektion. Dieses Licht der Nacht erhellt die Abgründe unserer Seele und beeinflusst unseren Schlaf sowie unser Traumbewusstsein. Bei Schlafstörungen, um Zugang zum Unbewußten zu erhalten oder um psychosomatische Beschwerden zu behandeln, sind Mondpflanzen daher unentbehrlich.

Aber auch Merkur lässt sich im Riesen-Schwingel erkennen. Merkurpflanzen erkennt man an ihrer schlanken und aufrechten Gestalt, wie den Spitzwegerich, Fenchel, Anis, die Akelei oder den Baldrian. Mit seinen Signaturen entspricht der Götterbote dem Element Luft. Merkurpflanzen stärken zum Beispiel die Atmungsorgane bei Infektanfälligkeit oder Allergien; sie eignen sich auch allgemein zur Behandlung von Haut- und Schleimhauterkrankungen. Bewegung und Beweglichkeit sind Merkuranalogien. Dies gilt für unseren Bewegungsapparat, die Extremitäten und die Mimik genauso wie für das Nervensystem, das diese Bewegungen steuert und erst ermöglicht. Während die elektrische Energie der Nervenimpulse uranischer Natur ist, ist die Nervenleitung (das Axon oder Neuron) grundsätzlich eine Merkurentsprechung. Sein Ergänzungspartner und Antipode Jupiter schafft Ausgleich und Vervollständigung durch die isolierende Fettschicht (Myelinschicht) um den einzelnen Nerv. Die informierenden (afferenten, sensorischen) Nervenfasern vom Körper zum Gehirn, stehen den aktivierenden (efferenten, motorischen) Nervenbahnen vom Gehirn zum Körper gegenüber. Erstere können als eine Mond-Merkur-, letztere als eine Sonne-Merkur-Analogie aufgefasst werden.

Darüber, ob der Riesen-Schwingel nun aber als Heilpflanze eingesetzt werden kann, lässt sich weder etwas finden, noch bin ich jemals auf einen Hinweis hierzu gestoßen und auch hat er mich bisher noch zu nichts weiter inspiriert, als ihn zu zeichnen. Schließlich müssen nicht alle Pflanzen einem der Gesundheit des Menschen zuträglichen Nutzen haben, gibt es doch genügend andere Geschöpfe, die sich uns gern hingeben. 

Das er, wie alle Pflanzen, ein Bindeglied im Geben und Nehmen der Natur und ihrer Geschöpfe ist, bleibt unbestritten. Seine kräftigen Wurzeln geben dem Boden bei starken Regengüssen oder Überflutungen Halt, seine Blüten nähren die genannten Schmetterlinge und einige Weidetiere mögen seine jungen Blätter und Triebe. Und vielleicht genügt es ja auch, sich für das eigene Dasein allein an seinem aufrechten und doch biegsamen wie auch geschmeidigen Wesen einfach nur ein Beispiel zu nehmen.  Da-Sein. Aufrecht, klar und deutlich, dennoch ruhig und gelassen. Sich zeigen, aber nicht um zu überdecken oder zu unterdrücken. Biegsam, ohne sich zu beugen. 

 

 

Was lässt sich nicht alles zu Gräsern sagen und erzählen? Ich erinnere mich an einen meiner Vorträge zu diesen Geschöpfen. Hierin ging es darum, welchen Wert Gräser - hier vornehmlich Süßgräser und damit unsere auch Getreidearten - für die menschliche Ernährung haben. Und auch daran, dass unser Planet einst gänzlich graslos gewesen sein soll. 

Gräser entstanden, so die Theorie, im Känozoikum, der Erdneuzeit. Sie beschränkten sich zunächst auf bewaldete und sumpfige Gebiete. Im Einklang mit der Entwicklung der Windbestäubung und des Wachstumsprozesses eroberten die Gräser ab dem Oligozän das offene Land; Steppen, Grasland und Tundren breiteten sich im Miozän aus. Es wird vermutet, dass die Evolution der Süßgräser mit jener der großen Weidetiere parallel einher ging.

Die Farbe „Grün“ ist leicht auf den altgriechischen Begriff „grástis“ rückführbar, was „Futterkraut“ bedeutet. Die lateinische Bezeichnung lautet „gramen“. Das deutsche Wort Gras geht wohl auf die indogermanische Silbe „ghr“ zurück und bedeutet soviel wie „wachsen“. Dies findet sich auch im englischen „to grow“ wieder.

Als Gräser werden sowohl Süßgräser, Sauergräser wie auch Binsengewächse zusammengefasst, weil sie allesamt keine auffälligen, bunten, sondern stark reduzierte Blüten haben, die meistens in Blütenständen beisammen stehen.

Sauergräser werden oft einfach als Gräser genannt, ihre Halme aber sind nicht durch Knoten gegliedert. Als Sauergräser bezeichnet man Riedgräser und Binsengewächse.

Süßgräser (Gramineae oder Poaceae), mit 10.000 Arten und 650 Gattungen, sind die größte Gattung innerhalb der Blütenpflanzen und zeichnen sich durch runde, hohle Stengel und durch zweizeilig angeordnete Blätter mit langer, den Stengel umfassender Scheide aus. Ihre unscheinbaren, meist zwittrigen Blüten haben keine Blütenhülle, aber dafür trockenhäutige Hochblätter. Sie stehen immer in Ährchen beisammen, die ähren-, trauben- oder rispenförmige Gesamtblütenstände bilden.

Süßgräser zählen zu den ältesten Nutzpflanzen überhaupt und sind mit der Entwicklungs-geschichte des Menschen eng verflochten. Alle Getreidearten gehören in diese Pflanzengruppe. Sie sind weltweit verbreitet, kommen an Meeresküsten, im Hochgebirge und den Polarkreisen vor. Alle terrestrischen Standorte sind von Gräsern besiedelt. Ein Fünftel der Pflanzendecke der Erde wird von Gräsern eingenommen. Ihr Erscheinungsbild ist entsprechend ihres Vorkommens in allen Klimazonen ausgesprochen facettenreich, ebenso ihre Wuchsformen, Blütenstände und Wurzeln.

Die Samenkörner sind eine Sonderform der Nussfrucht. Aufgrund ihres Aufbaus sind sie vielmehr Früchte.

Grundsätzlich bringen alle Gräser Mitteleuropas essbare Samen hervor. Die Samen lassen sich, meist im Spätsommer, geröstet und gemahlen zu Kaffee verarbeiten oder in einem Keimgefäß zum Keimen (Sprößlinge) bringen, die etwas größeren Samen zur Bierherstellung.

 

Getreidegötter und Wächter schenkten den Menschen das für ihre Ernährung so wichtige Getreide und behüteten es. Sie erschufen Getreidearten, verteidigten sie gegen teuflische Geister und vernichteten Insekten und andere Schädlinge. Die Göttin Demeter schenkte der Menschheit  die ersten Samen des Weizens und lehrte Triptulemus, die Erde zu bearbeiten und Brot zu bereiten. Er missionierte und verbreitete die Kunst des Weizenanbaus in allen Ländern rund um das Mittelmeer. Er wurde von dem Gott Adonis unterstützt; von Ceres, die den grünen Weizen goldfarben machte; und von Flora, die das Getreide vor Krankheiten schützt.

In Nordamerika gab der Herr der Winde seinem Sohn Iosheka ein Maiskorn und er brachte den Indianerstämmen der Huronen und der Irokesen den Maisanbau bei.

In Asien war es der Inari, der japanische Reisgott, der noch heute den Reisanbau bewacht und vermehrt. Zwei Füchse begleiten ihn dabei. Sie bringen seine Anweisungen zu den Bauern. Wenn ein Reisbauer einen Fuchs durch sein Reisfeld schnüren sieht, sollte er ihn nie davonjagen. Die Bauern Südostasiens halten den Reis für die Ausstrahlung Buddhas.

In Europa gibt es eine große Anzahl an Wesen, die für die Getreidefelder sorgen. In Nordeuropa sind es unsichtbare Meuten von Weizen- und Roggenhunden, die leichtfüßig auf den aufrecht stehenden Halmen gehen können. Die Wellen im Feld, von denen man glaubt, dass sie vom Wind getrieben werden, sind in Wirklichkeit von den Bewegungen der Wachhunde verursacht.

In Russland achten die Poleviki und Poludnitsy auf die Getreidefelder. Die Poleviki sehen menschlich aus und ihre Haare und Bärte sind so grün wie der junge Weizen. Die Poludnitsy sind hübsche junge Mädchen mit Haaren so gold wie Weizenstroh. Beide Feldgeister bestrafen Eindringlinge, aber auch faule Bauern, die sich nicht hinreichend um ihre Felder kümmern.

 

Die Geschichten und Mythen um Getreidegötter und -geister sind unglaublich zahlreich und faszinierend. 

Besonders interessant ist die Geschichte, wie der Mais zu den Menschen gelangte, was sich in Südamerika zugetragen haben soll. Hier ist es der Mais (Zea mais), der als Zivilisationsstifter betrachtet wird. „Unser Leben“, „Lebensspender“ oder „Der, der uns erhält“ sind Namen, mit denen indianische Sprachen die Pflanze benennen. „Tonácatl“ nannten ihn die Azteken, was so viel wie „Unser Fleisch“ bedeutet. „Der erste Vater“ war er bei den Maya, „Mondamin“, „Das Wunderkorn“, bei den Ojibwa.

Man vermutet die ersten wild wachsenden Maispflanzen vor ca. 10.000 Jahren in Mexiko. Der Mais sei als Göttin zur Erde herabgestiegen oder, so erzählen es die Ojibwa, als grün gekleideter Fremder mit gelben Haaren. Ein junger Mann, der auf Visionsuche war, rang ihn nieder, und nachdem er ihn getötet und begraben hatte, ist das Zauberwesen als Pflanze wieder auferstanden. 

Den Maya zufolge entstanden die ersten Menschen aus Maisbrei. Die Urahnen erschufen die  „Leuchtenden Söhne des Lichts“. Sie zerrieben die Maiskolben und der Mais ging über in ihr Fleisch, ihr Blut und die Kreatur wurde Mensch.

Nach einer Nahua-Überlieferung pilgerte einst die Ameise Azactl zum mystischen Berg der Nahrung, traf dort die gefiederte Schlange Quetzalcoatl und brachte mit ihr zusammen den Mais zurück. Sie gaben den Göttern davon zu essen und sie wurden stark.

Bei den Arikara lebte die Maismutter beim großen Geist im Himmel; diese stieg herab und führte die Menschen, die noch unter der Erdoberfläche hausten, in das Licht der Welt. Sie gab ihnen Maiskörner zum Anpflanzen, lehrte ihnen Stammesriten und Rituale, damit sie in Harmonie leben können und kehrte in den Himmel zurück.

Die Cherokee erzählen, dass die Maisgöttin am Beginn der Zeit mit ihren Kindern, den ersten Menschen im Wald lebte. Jeden Tag holte sie einen Korb voll Maiskörner aus einer abgelegenen Hütte. Neugierige Kinder schlichen ihr nach und sahen voller Ekel, wie sich die Mutter den Schmutz von ihrem Bauch und ihrer Scham rieb und diesen in Maiskolben verwandelte. In dem Glauben, sie sei ein böse Hexe, töteten die Kinder die Frau und verscharrten sie. Bald wuchs aus ihrem Grab eine Maispflanze empor. Nun konnten die Menschen wieder Maisbrei essen, mussten dafür aber schwere Arbeit leisten. 

 

Nüsse, Früchte, Samen und harte pflanzliche Kost hätten die Kost des Urmenschen sein sollen; 

und dies brachte ihn den Namen „Paranthropus boisei – Nussknackermensch“ ein. Doch 

ähnelten seine Essgewohnheiten eher denen einer Kuh.

Anhand der Schädelmerkmale dieses Vormenschen mit seinem kräftigen Kiefern, übergroßen 

Backenzähnen und stark ausgebildeter Kaumuskulatur, ernährte sich der Nussknacker-Mensch 

offenbar überwiegend von tropischen Gräsern. Zu diesem Schluss kamen amerikanische 

Forscher, die fossile Zähne des Nussknacker-Menschen untersuchten, der vor mehr als einer 

Million Jahre in Ostafrika lebte. 

Eine chemische Analyse des Zahnschmelzes von 24 fossilen Backenzähnen lieferte die neue 

Erkenntnis. Die 22 Vormenschen, von denen die Proben stammten, lebten vor 1,9 bis 1,4 Millionen 

Jahren in Nord- und Zentralkenia. Im Untersuchungsmaterial ließen sich noch Kohlenstoffatome 

der pflanzlichen Nahrung nachweisen. Das Verhältnis der Kohlenstoffisotope im Pflanzengewebe 

liefert einen zuverlässigen Hinweis auf die Art der verzehrten Pflanzen. So konnten die Forscher 

feststellen, dass es sich bei der Nahrung des Nussknacker-Menschen nicht um Bäume, Sträucher 

oder krautige Pflanzen handelte, sondern um Süß- und Riedgräser.

Die mit den Zahnschmelzproben gemessenen Werte zeigten, dass der Großteil der Nahrung von 

grasartigen Pflanzen stammte. Paranthropus boisei konkurrierte also bei der Nahrungssuche nicht 

mit anderen Primaten, die Früchte und Baumblätter fraßen, sondern mit den Vorfahren von Zebra, 

Schwein und Nilpferd. Die mächtigen Kiefer dienten demnach dazu, große Mengen an Gras zu 

zermalmen. Keiner der Forscher hätte erwartet, an einem entfernten Zweig unseres 

Familienstammbaums auf einen Primaten mit den Eigenschaften einer Kuh zu stoßen.

Auch Zähne von Australopithecus-Funden sollen nun untersucht werden. Die Gattung 

Australopithecus hat sich im Lauf der Evolution in zwei Linien aufgespalten, wovon die eine zur 

Gattung Paranthropus, die andere zur Gattung Homo führte. Das Wissen darüber, was 

ausgestorbene Hominiden gegessen haben, lasse Rückschlüsse auf die Vegetation und damit die 

Verbreitung des Vormenschen zu.

 

Vor 10 Millionen Jahren wandelte sich das Klima in Ostafrika und die feuchten Regenwaldgebiete gingen in trockene Savannenbiotope über. Diese klimatische Veränderung hat dazu geführt, dass sich die ursprünglichen Hominidenpopulationen in die zu den heutigen Menschenaffen und dem Menschen führenden Linien aufspalteten.

Der aufrechte Gang beginnt bei dem Wechsel vom tropischen Regenwald zum Savannenbiotop. Die Zweibeinigkeit gehörte in der Evolution der menschlichen Ernährung zu den ersten Strategien, um auf die veränderten Umweltbedingungen zu reagieren. Durch die zunehmende Trockenheit in Afrika vor ca. 2,8 bis 2,5 Millionen Jahren dehnte sich der Anteil an hartfaserigen und hartschaligen Pflanzen weiter aus, die verbleibenden Flussuferwälder wurden schmaler. Dieser neuerliche evolutionäre Druck muss groß genug gewesen sein, um die Spaltung in die Gattungen Paranthropus und Homo hervorzurufen.

Der robuste Paranthropus mit seinen megadonten Zähnen suchte Schutz vor Großkatzen in den Flussuferwäldern. Man vermutet, dass die Fähigkeit zur zweibeinigen Fortbewegung sich bereits in den Wäldern entwickelte, deren Schutz sie erst allmählich verliessen, um in die offenen Landschaften vorzudringen. In den Savannenbiotopen selbst wäre ein sich Aufrichten lebensnotwendig, um die Umgebung über die hochwachsenden Gräser hinaus nach Gefahr überblicken zu können. Insofern verdanken wir dem Gras vielleicht sogar unseren aufrechten Gang (und vielleicht gehen wir heute eher etwas katzbuckelig durch die Gegend, weil immer Alles schön stramm und kurz gemäht wird)

Letztlich jedoch starb die Art des Paranthropus boisei aus. Die Alternative muss der Beginn der Werkzeugkultur gewesen sein, deren Anfänge ebenfalls 2,5 Millionen Jahre zurückreichen. Durch die Benutzung von Steinwerkzeugen zum Hämmern harter Nahrung entstanden zufällig scharfkantige Abschläge, die als Schneidwerkzeug eingesetzt wurden; eine Revolution in der Fleischbearbeitung und dem Zerlegen von Kadavern. 

Die Nahrungsnische des frühen Menschen wird in den Uferwaldzonen gesehen, wo Reste von Großkatzenbeute und Kadavern ausreichende Ressourcen bieten. Im saisonalen Rhythmus der Savanne boten in der Trockenperiode die Beutereste von Großkatzen reichlich Nahrung, während das Angebot an gehaltvoller pflanzlicher Nahrung aus Ermangelung an Niederschlag drastisch sank. In Regenzeiten dürfte die Ernährung auf pflanzlicher Basis im Schutz der Uferwälder überwogen haben. 

So legten im Gegensatz zu den robusten Vormenschen unsere Vorfahren eine große Flexibilität des Ernährungsverhaltens an den Tag – eine Entwicklung, die in Verbindung mit der gehaltvollen Fleischnahrung auch zu einem größeren und leistungsfähigerem Gehirn führte.

Letztendlich zeigt sich, dass Gräser für den Urmenschen als Nahrungsquelle zwar dienlich waren, jedoch keine dauerhafte Ernährungsmöglichkeit boten. 

Eines jedoch bleibt wahrscheinlich zu vermuten; das wir unseren aufrechten Gang den Gräsern zu verdanken haben und nicht, wie zunächst angenommen, in Griffnähe wachsende Früchte an Bäumen. 

 

Nun aber, und nach so vielen Vermutungen, zum Riesen-Schwingel. Er begegnet uns in feuchten Wäldern, gern in Eichen-, Buchen- und Laubmischwäldern und in deren Nähe, auf Waldwegen und Lichtungen. Gut gedeiht er auf feuchten bis nassen, nährstoff- und basenreichen Tonböden. Vor allem wächst er längs der Wasserläufe in Auwäldern. Und dort begegnete er mir. Am Flusslauf der Ilm, unterhalb der Felsenburg bei Buchfart. Nur wenige Schritte musste ich, durch die Haustüre hinaus, zurücklegen, um die feuchten Wiesen an der Ilm zu erreichen, wo ich jeden Frühling Brennnesseln, Giersch und Sauerampfer sammelte, im Herbst nach Löwenzahn- und Beinwellwurzeln grub. Nur selten standen dort die Pferde von Frank, meinem Nachbarn. Meist wurde die Wiese nur ein Mal und spät im Jahr gemäht, was dem Gedeihen des Riesen-Schwingels deutlich zuträglich war. Er brachte mich - so wie das Einjährige Rispengras - auf die Idee, so viele Gräser wie möglich zu illustrieren. Also wagte ich mich an ihn heran. Aufgrund seiner Größe war es nicht möglich, ihn in seiner ganzen Pracht und Größe zu zeichnen. Ich begann mit einem Teil der Stengel, Blätter und Blüten, bevor ich mich an sein Wurzelgeflecht machte. Dieses grub ich später aus, hielt es einige Zeit frisch und fuhr mit ihm im Wohnmobil-Gepäck an den Carwitzer See, wo ich auf einem kleinen und stillen Campingplatz das Werk vollendete. 

Auch hier kann ich mich wieder an viele kleine Begebenheiten sehr genau erinnern, die mir sonst als nicht sonderlich wichtig erscheinen. Es ist, als verstärkte sich beim Zeichnen meine Wahrnehmung für sonst belanglose Nebenbei-Ereignisse, denen ich nicht mal bewusst Aufmerksamkeit widme. Voll der Konzentration beim Zeichnen saugt mein Erinnerungsvermögen alles Geschehen um mich herum auf, ohne das ich dem folge oder besonders gewahr bin. Vielleicht wirkt die Versunkenheit bei dieser Arbeit auf eine besondere Weise psychedelisch, also den Geist erweiternd. Oder sind es die Pflanzenwesen, denen man sich bei dieser Beschäftigung durchaus ja hingebungs- und liebevoll zuwendet, in deren Metaebene man somit eintaucht und eine Verbindung mit der Umgebung eingeht, die weit über unser Alltagsdenken hinausgeht? Mag sein; auf jeden Fall erreiche ich diesen Zustand der totalen Erinnerung beim Zeichnen vollkommen unwillentlich, aber auch besser und leichter als dies bei Meditationen und Hypnosen der Fall ist. Das Loslassen geschieht einfach auf eine eigene Weise und völlig unwillentliche Weise.  

 

Majestätisch, kraftvoll-aufrecht und doch von geschmeidiger Biegsamkeit begegnet mir der Riesen-Schwingel in einer Art anmutigen Geradlinigkeit, die einerseits von einer deutlichen Dominanz gegenüber anderen Wiesengewächsen zeugt, andererseits jedoch mit diesen in einer einvernehmlichen Harmonie seinen Lebensraum teilt. Auf jeden Fall tritt er gern hervor und zeigt sich ungeniert, weiß aber, sich phytosozial nicht als Platzhirsch zu etablieren. Er ist da, zeigt sich stolz, verdrängt und unterdrückt jedoch nicht. 

Mit Insekten hat er nicht viel am Hut und verlässt sich vielmehr auf die altmodische Windbestäubung. Für die Verbreitung seiner Samen verlässt er sich ebenfalls auf den Wind, aber auch das Wasser, dessen Nähe er ohnehin gerne sucht. Durch die Wiesen streifende Tiere verschleppen seine Samen in ihrem Fell ganz sicher auch.   

Einige Schmetterlinge nutzen ihn gern als Raupenfutter, ganz besonders die Haldenflur-Graseule (Apamea remissa), das Waldbrettspiel (Pararge aegeria) und der Frühe Kommafalter (Ochlodes venata). Von Weidetieren wie Pferden und Rindern wird der Riesen-Schwingel in der Blütezeit gern genommen, später aber scheint er ihnen nicht mehr zu schmecken.  

Welchen Wert er als Nahrungspflanze für uns Menschen hat, vermag ich nicht zu sagen. Noch habe ich ihn nicht probiert. Bis zur Blüte fühlt er sich weich, saftig, geschmeidig und zart an, was als Mondsignatur ausgelegt werden könnte. Später, nach der Blüte, wirkt er zunehmend weniger erfrischend, leicht silbriggrau und etwas steifer oder auch spröder, was auf mich ein wenig saturnisch wirkt. Ich möchte wetten, dass er dann auch etwas bitterer schmeckt, weniger süßlich und die Festigkeit seiner Fasern zunimmt. Das werde ich auf jeden Fall herausfinden. 

Die planetarischen Signaturen bei Gräsern zu bestimmen und festlegen zu können, dürfte einfach erscheinen, haben sie alle recht identische Grün- und Wachstumsphasen sowie Erscheinungsbilder. Doch bei genauerem Hinsehen und Anfühlen stellt man Unterschiede fest, die eine etwas sensiblere Bestimmungstaxonomie erfordern. Seine Vorliebe, an feuchten Standorten und in Wassernähe zu gedeihen, lässt zunächst den Mond vermuten. Auch die glatten und geschmeidigen Blätter und Halme stehen für die lunare Signatur. Der Mond steht für Energieaufnahme, Periodizität, Reflektion, Empfindung und Hingabe, also vornehmlich weibliche Charaktereigenschaften. Die weißlichen und nicht all zu opulenten Blüten des Riesen-Schwingels sprechen ebenso für diese Zuordnung. Viele Mondpflanzen bevorzugen feuchte Standorte. Darunter findet sich das Mädesüß, der weißblühende Fieberklee, die Birke oder auch die saftige und kühlende Vogelmiere. Die Wirkung dieser Pflanzen erstreckt sich von Rheuma über Entzündungen bis hin zu fieberhaften Infekten. Zarte weiße Blüten, oft silbrig schimmernde Blätter oder eine schleimige und saftige Beschaffenheit lassen die lunaren Eigenschaften erkennen. Als Spiegel der Sonne entspricht dem Mond auch das Unbewusste und die Fähigkeit zur Reflektion. Dieses Licht der Nacht erhellt die Abgründe unserer Seele und beeinflusst unseren Schlaf sowie unser Traumbewusstsein. Bei Schlafstörungen, um Zugang zum Unbewußten zu erhalten oder um psychosomatische Beschwerden zu behandeln, sind Mondpflanzen daher unentbehrlich.

Aber auch Merkur lässt sich im Riesen-Schwingel erkennen. Merkurpflanzen erkennt man an ihrer schlanken und aufrechten Gestalt, wie den Spitzwegerich, Fenchel, Anis, die Akelei oder den Baldrian. Mit seinen Signaturen entspricht der Götterbote dem Element Luft. Merkurpflanzen stärken zum Beispiel die Atmungsorgane bei Infektanfälligkeit oder Allergien; sie eignen sich auch allgemein zur Behandlung von Haut- und Schleimhauterkrankungen. Bewegung und Beweglichkeit sind Merkuranalogien. Dies gilt für unseren Bewegungsapparat, die Extremitäten und die Mimik genauso wie für das Nervensystem, das diese Bewegungen steuert und erst ermöglicht. Während die elektrische Energie der Nervenimpulse uranischer Natur ist, ist die Nervenleitung (das Axon oder Neuron) grundsätzlich eine Merkurentsprechung. Sein Ergänzungspartner und Antipode Jupiter schafft Ausgleich und Vervollständigung durch die isolierende Fettschicht (Myelinschicht) um den einzelnen Nerv. Die informierenden (afferenten, sensorischen) Nervenfasern vom Körper zum Gehirn, stehen den aktivierenden (efferenten, motorischen) Nervenbahnen vom Gehirn zum Körper gegenüber. Erstere können als eine Mond-Merkur-, letztere als eine Sonne-Merkur-Analogie aufgefasst werden.

Darüber, ob der Riesen-Schwingel nun aber als Heilpflanze eingesetzt werden kann, lässt sich weder etwas finden, noch bin ich jemals auf einen Hinweis hierzu gestoßen und auch hat er mich bisher noch zu nichts weiter inspiriert, als ihn zu zeichnen. Schließlich müssen nicht alle Pflanzen einem der Gesundheit des Menschen zuträglichen Nutzen haben, gibt es doch genügend andere Geschöpfe, die sich uns gern hingeben. 

Das er, wie alle Pflanzen, ein Bindeglied im Geben und Nehmen der Natur und ihrer Geschöpfe ist, bleibt unbestritten. Seine kräftigen Wurzeln geben dem Boden bei starken Regengüssen oder Überflutungen Halt, seine Blüten nähren die genannten Schmetterlinge und einige Weidetiere mögen seine jungen Blätter und Triebe. Und vielleicht genügt es ja auch, sich für das eigene Dasein allein an seinem aufrechten und doch biegsamen wie auch geschmeidigen Wesen einfach nur ein Beispiel zu nehmen.  Da-Sein. Aufrecht, klar und deutlich, dennoch ruhig und gelassen. Sich zeigen, aber nicht um zu überdecken oder zu unterdrücken. Biegsam, ohne sich zu beugen. 

 

 

Der Mensch, ein Gras 

 (Gedicht von Friedrich Logau)

 

Unsres Lebens beste Kost, ist von erstem zartes Gras.

Unser Leben selbst ist das, Samm der Ehr und aller Lust.

Brächte jenes nichts von Früchten, bliebs im Felde leichtlich liegen.

Menschen würden wenig tügen, wann sie nicht in Himmel tüchten.